Am Morgen haben wir uns das zerstörte Dorf in Ruhe angesehen und einen Bauplatz gesucht für das neue Haus, was wir errichten wollen. Ich muss das hier wirklich noch einmal in aller Deutlichkeit sagen: Ich habe selten so viel Zerstörung gesehen und vor allem leben hier so viele Familien mit kleinen Kindern auf der Straße oder unter Planen. Das Schlimmste jedoch ist, nicht allen gleichzeitig helfen zu können.
Baubeginn
Wir sahen uns nach einem vernünftigen Platz um, der so liegen muss, dass er bei Regen nicht untergeht, bei starker Sonne kein Ofen wird und im Winter der Wind möglichst abgehalten wird. Hier begann dann auch schon das erste Problem, denn es gibt nicht so viel Fläche in dem Dorf. Stellt euch doch einfach vor, Berlin würde noch einmal soviel Häuser bekommen wie derzeit dort stehen. Sprich, wir mussten schließlich doch Kompromisse eingehen, damit wir endlich beginnen konnten mit dem Abstecken des Hauses, dem Glattmachen des Bodens und es musste auch noch etwas vom Hang abgestochen werden. Zusätzlich ist es notwendig, altes Haus abzureißen, da wir die Steine zum Befestigen des Abhangs brauchen und vor allem auch, um Platz zu bekommen für das neue Haus.
Baumarkt und Anlieferung
Nachdem wir nun alles besprochen hatten, der Plan gemacht und wirklich alles aufgelistet war, was wir brauchten, ging es in den weit entlegenen Baumarkt. Der Weg dahin war sehr beschwerlich. Es ging bergauf, bergab, über kleine Flüsse, enge Trampelfade, kleine Lichtungen, dichten Wald bis wir endlich ankamen. Unsere beiden Begleiter deuteten uns mit der Hand, dass wir nun da seien und aussuchen könnten, was wir an Holz brauchen. Also gingen wir los und suchten nach dem passenden Holz. Nach einer Weile hatten wir genug zusammen und begannen nun mit dem Eigentlichen – wir fällten die markierten Bäume, entfernten die Äste und sägten sie gleich auf das Maß zu. Natürlich mit der Hand, denn eine Motorsäge gab es hier nicht. Aber wir hatten, was wir brauchten an Holz. Unsere beiden Begleiter blieben noch und schnitten das restliche Holz zu. Wir dagegen gingen in eine andere Abteilung des Baumarktes und holten uns Bambus. Der hier war nur sechs Meter lang. Wir schlugen ihn ab und nahmen ihn dann mit zur Baustelle. Der Transport war grandios: Thomas und ich transportierten jeweils zwei elend lange Bambusstiele. Damit ging es zurück über Stock, Stein, Bäche, bergauf, bergab. Ich kann gar nicht sagen, wie oft ich hier an den Baumarkt zu Hause gedacht habe, hinfahren aussuchen nach Hause bringen lassen, fertig.
Wille gegen Frust
Der erste Bautag ging recht schnell zu Ende, da die Lieferung aus dem Baumarkt einfach ewig dauerte. Die Strecke zwischen Baumarkt und Bauplatz beträgt 30 Minuten hin und 45 Minuten zurück. Wenn das Holz allerdings schwerer ist und über drei Meter lang, kann es auch schon mal eine Stunde für ein Stück Holz dauern. Nägel hatten wir auch noch keine, wir banden alles erst einmal mit Kabelbindern zusammen, sodass wir wenigstens etwas Stabilität in unser Bauwerk bringen konnten. Leider wurden wir immer wieder wegen fehlender Dinge zurückgeworfen und ja, das bescherte uns dann ab und an mal etwas Frust. Wenn wieder etwas umfiel, weil wir keine Nägel oder Schrauben hatten, wenn wieder ein Holz fehlte, weil der Baumarkt es falsch lieferte, weil unser Gliedermaßstab zerbrochen war. Dazu kamen immer wieder kleine Erdbeben, die es uns auch nicht unbedingt leichter machten. Zumal alle hier sofort in Panik ausbrechen, aus den noch vorhandenen Häusern rennen und auf der Straße stehen und hoffen, dass nichts weiter passiert. Am Abend stand wenigstens etwas vom zukünftigen Haus und wir gingen fertig und erleichtert ins Dorf.
Dort wurden wir gefragt, wo wir herkämen und von welcher Organisation wir seien, denn bisher sei hier noch niemand gewesen. Wir erzählten, warum wir hier seien, dass wir keiner Organisation angehören würden und dass das ganze Geld für die Lebensmittel vom Vortag und das Geld für die Häuser von Menschen aus Deutschland stammen würden, denen die Nepalesen und ihr Schicksal nicht egal seien. Darüber waren sie sehr erstaunt, denn außer in Kathmandu hatten sie kaum Helfer gesehen. Und bis in die Dörfer kam keiner, nur für Kathmandu wurden alle Kräfte mobilisiert. Ich habe in Kathmandu fast ausschließlich das Rote Kreuz China gesehen.
Ich will mir nicht anmaßen zu sagen ob, für wen und wie die Organisationen hier arbeiten. Eines kann ich aber sagen: Es reicht einfach nicht! Die Menschen hier brauchen Hilfe als Geldspende oder Sachspende – ohne Hilfe wird es Nepal nicht schaffen. Die Motivation für Thomas und mich sind genau zwei Dinge: Einmal kommt das Lachen langsam zurück, wir können wieder die Freude in den Augen der Menschen hier sehen und dann IHR, die ihr uns mit eurer Spende unterstützt habt, hier weitere Häuser für circa 2000 Euro zu kaufen und Lebensmittel für die abgelegenen Dörfer zu beschaffen und hinzubringen.